aus Inkunabeldruckdes Missale Hildensemense von 1499

Wilfried Anton Meyer

W.A. Meyer, verstorben 2016, war von 1985 bis 1990 Direktor der Dombibliothek Hildesheim. Er gründete 2005 den von der BürgerStiftung Hildesheim verwalteten Beverina Stiftungsfonds zur Förderung der Wissenschaft. Die jährlich aus dem Stiftungskapital des Treuhandfonds erwirtschafteten Erträge erhält nach dem Willen des Stifters die Dombibliothek. Sie sind in den letzten Jahren zur Erschließung der C-Handschriften und -Akten verwandt worden. Dazu erhielten wir jetzt folgenden Bericht:

Philipp Heil, M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Dombibliothek Hildesheim
Die C-Handschriften und C-Akten

Im vergangenen Jahr wurde die Erschließung des gesamten C-Bestands weiter fortgeführt. Es handelt sich hierbei um über 2.500 Handschriften und Akten zur gesamten Geschichte der Stadt und des Bistums Hildesheim von Gründung bis ins 19. Jahrhundert. Die Mehrheit bilden Originaldokumente und Abschriften von Quellen, die bisweilen aufgrund des Verlustes des als Vorlage dienenden Originals heute den Stellenwert des Originals aufweisen. Maßgeblich in die heutige Ordnung brachte sie der Bibliothekar und spätere Kardinal ADOLF BERTRAM (1859-1945). Er trug unter der neuen Signatur C bisherige Aktenbestände und neue Anschaffungen zusammen, so lassen sich beispielsweise Bestände aus dem Besitz des Hildesheimer Historikers JOHANN MICHAEL KRATZ (1807-1885) oder des bischöflichen Sekretärs und Archivars IGNATIUS ZEPPENFELD (1760-1831) erkennen, aber auch Verwaltungsakten aus dem Kloster St. Michael.
Während in der vorhergehenden Phase der Schwerpunkt darauf lag, die einzelnen Sammlungen, bspw. aus dem Besitz von KRATZ, im C-Bestand ausfindig zu machen, lag der Fokus in dieser Phase auf der Analyse der möglichen Quellen für die Bestandteile des C-Bestands, also auf dessen allgemeiner Genese. Bis dahin war die allgemeine Annahme, dass BERTRAM vielmehr nur übernommen habe, ohne große Eingriffe vorzunehmen, aber sein Einfluss auf die Struktur stellte sich im Laufe der Arbeit als tiefgreifender heraus: er sortierte grundlegend neu und sortierte teilweise sogar den Inhalt der themenorientierten Sammelmappen neu. Er drückte den Beständen sein Ordnungssystem auf.
Die Einzelteile des C-Bestands entstammen aus verschiedensten vorher angelegten Sammlungen, die über unterschiedliche Wege in die Dombibliothek fanden – in der Regel auf Umwegen. Es lassen sich beispielsweise Verwaltungsakten aus dem Kloster St. Michael finden (C 935–980), die auf Basis eines Schriftvergleichs mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar aus dem Bestand des Klosters über BERTRAM in die C-Akten gekommen sind. Andere Textstücke, wie der Inhalt der Mappe C 175 entstammt dem Besitz des Archivars ZEPPENFELD, kam von dort zu KRATZ und erst dann in die Dombibliothek – ob es Teile des Verkaufs an die Dombibliothek zu seiner Lebenszeit waren oder erst per Testament dahingelangten, ist noch zu klären.
Der Bestand wurde in den vergangenen Jahrzehnten durch seine mehrfache Zwitterstellung aus Bibliotheks- und Archivbestand nicht ausreichend aufgearbeitet: Obwohl seit längerer Zeit bei Büchern wiederverwendete Papiere/Pergamente gezielt gesucht wurden und identifiziert, fand der C-Bestand bisher auf der materiellen Ebene keine Beachtung. Dies ermöglichte bei Stichproben den Fund von bspw. einer recycelten Pergamentseite aus einem Inkunabeldruck des Missale Hildensemense von 1499 (GW M24451), womit die Zahl der bekannten erhaltenen Exemplare/Fragmente auf insgesamt 27 erhöht werden kann. Weitere Textfragmente, sowohl mittelalterliche Handschriften als auch Frühdrucke, wurden ausgemacht, aber bisher nicht identifiziert. Eine systematische Durchsicht des Bestands nach diesem Gesichtspunkt ist bereits geplant. Hiervon wird sich erhofft, bisher unbekannte Textzeugnisse zu entdecken, von bekannten Texten den Verbreitungsradius kenntlich zu machen und der Wissenschaft zugänglich, und schlussendlich die Herkunft des C-Bestands weiter zu klären.